Montag, 30. Januar 2012

Warten auf Puschkin - Sergej Gandlewski

Titel: Warten auf Puschkin
Autor: Sergej Gandlewski
Verlag: Aufbau Verlag
Seiten: 215
ISBN: 3351030525
Preis: 4,50 (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 2006
In einem Wort: Interessant

Inhalt: Lew Kriworotow, Student in Moskau, hat sich zu einer Gruppe von Dichter gesellt. In dieser Künstlerwerkstatt stellen sich die aufstrebenden Dichter gegenseitig ihre neuesten Gedichte und Geschichten vor. Lew scheint, neben seinem Freund Nikita, einer der talentierteren Teilnehmer zu sein, doch er verfällt zunehmend in den Wahn, daß andere, insbesondere Nikita, ihm bei allem was so geschieht zuvorkommt. Sei es das Veröffentlichen von Geschichten oder das heranmachen an Anja, auf die beide ein Auge geworfen haben. Als die Künstlergruppe sich an die Arbeit macht eine Art Buch zu generieren, in dem Werke sämtlicher Teilnehmer veröffentlicht werden soll, tritt Viktor Tschigraschow, ein bedeutender Künstler der Zeit, auf den Plan. Lew, der Tschigraschow verehrt, hat daher ein besonderes Interesse da dran sich in seine Gunst zu begeben, was ihm ganz gut zu gelingen scheint, da er 30 Jahre später eine Biographie von ihm veröffentlicht, wenn da nur nicht ein gewisser Nikitin in seine Quere kommen würde...


Meinung: Ich muss sagen, daß ich dieses Buch als viel schlimmer zu lesen erwartet habe, als es denn tatsächlich ist. Das liegt vor allem da dran, daß ich mir bei russischen Schriftstellern immer vorstelle, daß es sich um schwere Kost und Sprache handelt. Ist wohl ein Vorurteil meinerseits bezüglich der russischen Literatur, wenngleich eine gewisse Schwermut mit depressivem Charakter, die eindeutig dem russischen langen Winter zuzuschreiben zu sein muss, auch in diesem Buch nicht verleugnet werden kann.

Das Buch kommt sehr viel leichter daher, wenngleich es beiweitem nicht so leicht zu lesen war, wie westliche Romane. Die Sprache wirkt sehr gehoben, teilweise so wie sie in Lyrik und Prosa verwendet wird, was aber dem Thema des Buches nur zugute kommt. Aufgelockert wird das Ganze durch sehr umgangsprachliche und teils vulgäre Ausdrücke, die mir so manches Mal ein Schmunzeln entlockt haben. Ich hab zwar recht lange gebraucht, durch das doch recht dünne Buch durchzukommen und ich hatte im Grunde das Gefühl hinterher einen Wälzer gelesen zu haben, aber dennoch fand ich es recht interessant und eben teils amüsant, was auch Lews paranoider und eifersüchtiger Haltung zu schulden ist. Er scheint immer zu denken, daß andere ihm zuvorkommen oder in die Gunst gewisser Personen gelangen, die doch eigentlich ihm zusteht. So kommt es, daß er sich nicht von seiner Gönnerin losreißen kann und gleichzeitig hinter Anja hinterher stolziert, immer darauf bedacht, das Beste für sich herauszuschlagen, und seinen "Freund" Nikita zuvorzukommen. Doch das gelingt nie wirklich. Auch als er in Tschigraschows Andenken dessen Biographie veröffentlichen will vermutet er hinter einem Kontrahenten namens Nikitin, der sich ebenso mit dessen Leben auskennt und dieses auch in seinen Veröffentlichung unterstreicht, seinen alten Bekannten Nikitin und vermutet schon fast eine Verschwörung dahinter - hatte dieser doch schon Anja bekommen.

Beim nachträglichen Nachdenken über das Buch sind mir einige Dinge aufgefallen, die den Subtext des Buches betreffen. So hatte ich mich gefragt, was die Geschichte denn nur mit "Warten auf Puschkin" zu tun haben könnte. Nach kleinen Recherchen bin ich glaube ich zu einer Lösung gekommen. Es werden Dinge, wie der Verfall der Dichtkunst angesprochen, die auch Puschkin anfänglich vorgehalten wurde. Und auch die Verwendung der französischen Sprache für den ursprünglichen Arbeitstitel des Buches, das die Künstlergruppe veröffentlichen wollte, stößt so manchem Beteiligten sauer auf. Vielleicht ist das ein Gesichtspunkt der auf die Zeit Puschkins anspricht, wo es für die russische Oberschicht üblich war Französisch zu sprechen. Erst als Napoleon einfiel, fragte man sich, warum man denn eigentlich die Sprache des Feindes spreche. Und Puschkin war es wohl, der die russische Umgangssprache für die Literatur salonfähig machte.

So oder so ähnlich könnte ich mir das vorstellen, ob das nun stimmt oder nicht sei mal dahin gestellt. Jedenfalls ist es immer ein gutes Zeichen, wenn mich ein Buch zum Nachdenken anregt, auch wenn es schwer zu lesen ist. Die kleinen Wortspielereien haben mich ebenso belustigt und auch Lews Gemüt ist wirklich interessant gewesen. Wer also mal von westlicher Literatur abstand nehmen will, der sollte sich hier bedienen. Mir hat es wirklich gut gefallen.


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